Das Gedicht Rio de la Plata ist heute Gedicht des Tages bei Fixpoetry.

Das Gedicht Rio de la Plata ist heute Gedicht des Tages bei Fixpoetry.
Meine Reise führte mich zunächst nach Buenos Aires. Dort las ich gemeinsam mit den Dichtern Léonce W. Lupette und José Villa und stellte den von Pablo Jofré übersetzten Band Fracasos felices (Glückliche Niederlagen) im Goethe-Institut vor. In Buenos Aires gibt es eine sehr rege Dichter- und Verlagsszene, das konnte ich an den folgenden Tagen feststellen. Vieles findet in parallelen Szenen statt, die manchmal mehr, manchmal weniger miteinander zu tun haben (wollen). Am Abend der Goethe-Lesung erhielt ich eine Einladung zu einer von Lili Majic organisierten Lesung im feministischen Zentrum MU für den nächsten Abend. Dort traf ich eine lose Gruppe Dichter*innen, hörte und sah ihnen bei ihrer Performance zu und sprach mit den Dichtern Ignacio Vázquez und Julio C. Páez. Später begleitete ich Ignacio zu der Buchvorstellung von Luis Erker Ercolano. Allerdings stellte nicht der Dichter selbst sondern seine dichtenden Freunde sein Buch vor, indem jeder einen Text las und sich der Dichter auf diese Weise feiern lies. Auch die nächsten Abende führten mich zu Lesungen im Stadtteil Almagro, wo es jeden Abend Lesungen gibt. Poesía de emergencia heißt eine Gruppe, die im Tango-Salon La Hormiga de Oro auftrat, oder Aquémendia eine andere (scheinbar im ähnlich Umfeld stehende), die zur Lesung in die Emergente Bar nach Abasto einlud. Der Laden von Eloísa Cartonera in La Boca, des Verlags, der Bücher mit Pappen der Kartonsammler produziert, hatte sonntags geschlossen. Andere Buchhandlungen gibt es so zahlreich wie Empanada-Bäcker. Ich besuchte die wohl schönste: El Ateneo an der Avenida Santa Fe. Dieses Buchkaufhaus ist in einem ehemaligen, klassischen Theater untergebracht. Den letzten Abend verbrachte ich im Stadtteil Chacarita bei Tomás Fadel, einem jungen Verleger, bei dem ich weitere Dichter und Verleger traf – eine schier endlose Szene. Tomas druckt Bücher in Letterpress, fadengeheftet. In seiner früheren Edition fügte er in die Covers zum Beispiel Kronkorken ein. Wir diskutierten über Kleinverlage, wie die unsrigen, über Vertriebsschwierigkeiten und -möglichkeiten. Dichter- und Verlagswelten ähneln sich überall. Von Prosa bekam ich nicht viel mit. Immerhin hatte ich die Porteños Hernán Ronsino und César Aira im Gepäck. Ein paar weitere Bücher kamen im Lauf der Tage hinzu. Büchertausch und Bücherschmuggel sind gute Wege, um mit Kollegen ins Gespräch zu kommen. Julio C. Páez schenkte mir eins seiner Bücher, daraus ist das folgende, von mir übersetzte Gedicht:
Ein Foto,
so zart
wie der Augenblick
den es abbildet,
es ruft nicht nach
den Göttern der Vergessenheit,
sie beachten den Durst
der Wurzeln nicht,
die Zerbrechlichkeit
dauert fort.
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Von Köln nach Frechen gehen
An einem Tag, der zu nichts mehr zu gebrauchen ist, ist Gehen das Beste, was ich tun kann. Den trägen Körper bewegen, den schweren Kopf loswerden, das ist mein Ziel. Ich möchte keinem Wanderweg folgen, nicht die schönste Route suchen, sondern einfach gehen, einfach drauflos. Es ist später Nachmittag und das Thermometer zeigt 31° C im Schatten. Von meiner Wohnung muss ich eine von Tauben verkackte Bahnunterführung passieren und bin dann am Aachener Weiher. In westlicher Richtung folge ich dem Lindenthaler Kanal, meide weistestgehend den Autoverkehr und bin bald im Stadtwald. Hier heißt ein Weg Marcel-Proust-Promenade. So stellen sich die Lindenthaler also das Promenieren vor. Irgendwo weist eine Plakette auf den Weg nach Santiago hin. Nach etwa einer Stunde durch schattiges Grün bin ich am Müngersdorfer Stadion angelangt. Das war der einfachste Teil des Weges. Bis hierhin zu laufen schwebte mir vor, ab hier habe ich keinen Plan.
Ich folge einem kleinen Hinweisschild auf einen Radweg, links Wald, rechts ist eine abgeschirmte Neubau-Siedlung, bevorzugte Wohnlage am Stadtrand. Manchmal kommen mir Jogger entgegen. Manchmal schauen mich Spaziergängerinnen misstrauisch an. Die Stiftung Kölner Grün nennt diese Gegend „Zwischen schnellen Wegen“. Plötzlich stoße ich wieder auf eine Straße, die Dürener Straße, ein Industriegebiet liegt auf der anderen Straßenseite, RWE hat hier einen Sitz, baut einen vorbildlichen Kindergarten rechterhand, zu Fuß kann ich der Straße am Stütgenhof folgen, überquere die Gleise der KVB-Linie 7 nach Frechen und beschließe, in diese kleine westliche Nachbarstadt zu gehen. Dann folgen Felder, einsame Straßen, ich muss die Autobahn einmal über-, einmal unterqueren. Die Straße heißt nun Toyota-Allee. Aber alles wirkt verlassen. Keine Geschäftigkeit liegt um diese Zeit in der Luft, dafür der Duft von Getreide und eines weiter nordöstlich vorbeiziehenden Gewitters.
An einer Werkstatt wird noch gearbeitet, dann aber wieder diese Ruhe unter Hochspannungsmasten, an Obstbäumen vorbei, ein Wagen mit spanischen Kennzeichen hält am Seitenstreifen, ein Mann steigt aus und beginnt zu joggen. Eine Krähe hockt in den Tollkirschen. Unvermittelt stehe ich in einem Feld Sonnenblumen. Bin wohl doch bis in die Provence gewandert, denke ich kurz. Dann komme ich nach Bachem, einem Ortsteil von Frechen. Es ist die Zeit, wo alte Herren ihre Hunde ausführen. Ich grüße sicherheitshalber. Einen schönen Sommer, wünscht die lokale CDU.
Dann kommt eine Wohnsiedlung. Ein paar Leute haben Klappstühle nach draußen gestellt, sonst riecht alles nach Grillabend. An einem Spielplatz endet der Weg. Ich muss eigentlich nur über eine Schnellstraße, die ich schon höre. Aber hier komme ich nicht durch, muss mich durch Gestrüpp kämpfen und komme einige hundert Meter ab von meinem Weg, wo ich endlich die Schnellstraße über eine Brücke queren kann. Ich gelange aber in ein seltsames Gelände, eine Art Industriebrache. Links ein hoher Zaun, rechts ein hoher Zaun, der Fußweg nur durch ein paar Poller von der LKW-Straße abgezwackt. Ein Depot verlassener DHL-Anhänger. Ob hier unsere Pakete schlummern? Die Rückseite von Max Bahr. Der Parkplatz verlassen. Trotzdem läuft das Endlosband mit Kaufhausmusik im Außenbereich des Baumarkts.
Dann plötzlich Menschen. Ein Trinker-Pärchen, das sich hier niederlässt, dann ein Pulk Kletterfreunde, die die Mauer einer alten Fabrik hochkraxeln. Dann kommt das, was sie hier Innenstadt nennen. Ein Friedhof, Steinmetze, Bestattungsinstitute. Auf der Hauptstraße warten zwei Polizisten mit einer Kelle auf Delinquenten. Aber da ist niemand in Sicht. Die Linie 7 kommt erst in 28 Minuten. Wo sind die Frechener? frage ich mich. Ein paar Hundefreunde sitzen vor der Kirche St. Audomar, ein paar Jüngere sitzen vor einem Imbiß. „Beim Hannes“ heißt die Kneipe, die mich aufnimmt. Es gibt gezapftes Radeberger, das ich bestelle. Die fünf anderen Gäste trinken Kölsch oder Erdbeerbowle. Vermutlich erinnere ich den Wirt an die Iren, die vor unbestimmten Jahren da waren und in der Kneipe randalierten, denn plötzlich kommen die Gäste auf die Iren zu sprechen. Ich trinke zügig, bezahle rasch, damit ich die 7 noch erwische.
Route: Köln, Rudolfplatz – Müngersdorfer Stadion – Frechen (16 km, 3 Std.)
Weitere Reiseberichte: hier
Von seinen Reisen nach Barcelona (im Frühling), Masuren (im Sommer) und Rom (im Herbst) berichtet Herr K. in seinen Reiseskizzen, die nun als E-Book (vorerst nur) bei Amazon (für 2,99 €) erhältlich sind. Erschienen sind die kurzen Reiseberichte als E-Book in der parasitenpresse und eignen sich besonders, um auf dem Smartphone/Reader ans Reiseziel mitgenommen zu werden.
Inhalt:
„Barcelona, Masuren, Rom – drei Orte, die man unbedingt gesehen haben muss. So verschiedenartig die Reiseziele auch sind, immer war der Autor abseits der Sehenswürdigkeiten auf wenig ausgetrampelten Pfanden unterwegs. Er hörte lieber auf die Tipps von Freunden, als den gewöhnlichen Reiseführern zu glauben. Diese Tipps werden hier verraten. Die kurzen Kapitel sind Skizzen, die die Stimmung der Orte einfangen und Lust darauf machen, einfach über die Ramblas in Barcelona zu schlendern, auf einer Piazza in Rom den Passanten zuzuschauen oder den weiten Himmel über Masuren zu betrachten.“