„Mit seinem neuen Gedichtband Im Sommer hatte ich eine Umarmung präsentiert Adrian Kasnitz Lyrik, die sich mit den Unsicherheiten und Sinnfragen einer von Krisen gezeichneten Gesellschaft auseinandersetzt. Dies fließt zusammen mit Fragen nach Herkunft und Identität. Melancholie und Entwurzelung ziehen sich durch diese Gedichte, in denen sich der Verlust von Heimat sowie der Zusammenbruch von Lebenswelten und Gewissheiten andeuten. Innere und äußere Migration vermischen sich in den Texten, in denen das Subjekt zwischen Welten wandelt und doch nirgends ankommt: ‚wir spiegelten uns in den Glasschichten / unscharf, verschwommen / so wie unsere Identitäten sind’“, schreibt Sophie Modert in einer Besprechung des Bandes im Luxemburger Tageblatt und fügt der Lektüre einen weiteren Aspekt hinzu, nämlich den der Ästhetik des Unscheinbaren und Hässlichen.
Für den Berliner Tagesspiegel schrieb Herr K. über zeitgenössische Literatur aus Lettland. Grund war das viertägige lettische Literaturfilmfestival in der Brotfabrik, bei dem Herr K. gemeisam mit dem lettischen Schriftsteller Jānis Joņevs Jelgava 94 vorstellte, das Buch und den gleichnamigen Film. Den Artikel kann man hier nachlesen.
Immer noch lieferbar ist die Übersetzung Wilde Tiere (von Krišjānis Zeļģis).
„Im Sommer hatte ich eine Umarmung, der neue Gedichtband des Kölner Schriftstellers, schlägt einen ganz eigenen, lakonischen Tonfall an, hier und da einen mündlichen Sound, zieht die Kürze weit ausholender Bildlichkeit und dichterischer Pose vor. Es sind prägnante, visuelle, szenische Gedichte, viele ganz amerikanisch auf der Straße angesiedelt wie ‚Brixton‘ oder ‚Sie kamen direkt aus dem Doku-Kanal‘. Obst und soziale Medien, Wetter-Apps und Instagram wandern durch die Verse, und immer wieder liest man von Beziehungen und der Sehnsucht nach Intimität, die sich nicht einlösen lässt, denn ich will jetzt küssen / und du willst jetzt nicht. Ich will ins Meer springen / und du willst jetzt nicht. Träumte ich, dir aus Istanbul zu schreiben? demonstriert aber auch, wie kunstvoll gebaut die scheinbar beiläufigen Gedichte sind, wie genau kalkuliert ihre Zeilensprünge. Und manchmal gelingt das Zusammensein eben doch, wie im Jackentaschen-Gedicht: ‚In meiner Jackentasche steckt ein Park / in dem wir manchmal laufen / (…) wenn du deine Hand / in meine Jackentasche steckst‘, schreibt Paul Jennerjahn in einem wunderbaren Portrait über Herrn K. und seinen neuen Gedichtband. In ganzer Länge kann man den Text nun in der aktuellen Ausgabe der Kölner StadtRevue (5/23) und auf der Homepage lesen.
Die nächsten Lesungen von Herrn K. in Köln sind am 30. Mai in der Pflanzstelle (gemeinsam mit Bo Franke, Anna Pia Jordan-Bertinelli und Jonas Linnebank) und am 31. Mai in der Agnes-Buchhandlung (gemeinsam mit Tobias Schulenburg).
„Unscheinbar beginnen die Gedichte von Adrian Kasnitz meist – und dann ist man auf einmal mittendrin: in einem Thema, einer (Ehr)Furcht, einer existenziellen Zerrissenheit oder, auch, in einem Sud aus Gefühlen, edlen und niederen, nur dass sie bei Kasnitz nicht in diesem Sinne gewertet werden, sondern einfach gegenwärtig sind. Umtriebig sind diese Gedichte – die lyrischen Ichs treibt vieles um. Und Triebe, obgleich nicht plump als Zugpferd missbraucht, als Neonschild angebracht, spielen eine nicht unbedeutende Rolle“, schreibt Timo Brandt über Im Sommer hatte ich eine Umarmung in einer Besprechung bei Lyristix.
Und weiter: „Man weiß in der Folge nie genau, wo man landet, wenn man die Texte betritt; ob die nächsten Verse einen Ort der Reflexion oder sogar der Besinnlichkeit darstellen oder ob man sich flugs außerhalb der (eigenen) Komfortzone(n) wiederfindet. Denn diese Texte nehmen das Blatt nur vor den Mund, um ihm den Geruch des Lebens – Aroma, Note, Pheromone, Mief, Gestank? – einzuhauchen. […] Stellenweise hat mich Kasnitz neustes Buch regelrecht begeistert. Die ambivalent austarierten und dennoch enormen Energien in den Gedichten, die Stimmungen von unterschiedlicher Dichte und Coloeur, die tiefe (Un)Ruhe, die manchmal aus ihnen aufsteigt, sie (und die Leser*innen) einhüllt, das alles sorgt für ein sehr eindringliches Leseerlebnis.“
„Kasnitz´ neuer Gedichtband Im Sommer hatte ich eine Umarmung zählt 87 Seiten und ist für seine Verhältnisse etwas umfangreicher geworden als sonst, denn seine Kalendariumbändchen haben uns an eine gewisse Kürze und Stringenz gewöhnt. Aber in dieser ‚regulären‘ bzw. kontinuierlichen, an Vergangenes anknüpfenden Lyriksammlung ist zum Glück alles anders: Sicherlich hat der Autor noch mehr Gedichte zur Auswahl gehabt, in sieben Jahren kann schon ein opulentes Werk entstehen, aber Kasnitz gehört eher zu den Lyrikern der leiseren und bescheideneren Töne und Stimmen. Er ist kein Moralist, und seine Gedichte sind sprachlich alle sehr präzise und sparsam gebaut, wodurch selbst eine Beschreibung der Birnbäume auf dem Lande im polnischen Ermland zu einem kleinen Gemälde, Porträt der noch intakten Natur, wird, als sähe man sich die Miniaturwelten des Rokokos an.
Rhythmisch und malerisch haben diese Gedichte viel zu bieten, die Sprache ist, wie gesagt, sparsam, aber ästhetisch wohlüberlegt, was ihnen insbesondere dann zugutekommt, wenn sich Kasnitz´ Gedichte bekannter sozialer politischer oder globaler Themen annehmen, da durch die Schönheit der Sprache und der formalen Konstruktion unser Intellekt nicht nur positiv, sondern auch kritisch stimuliert wird. Kasnitz´ Gedichte erscheinen dann einem wie sehr genaue und oft schmerzhafte Einblicke in die menschlichen Tragödien, obgleich sie etwas beschreiben, was uns auf den ersten Blick ’normal‘, bekannt vorkommt, nach dem Motto: So ist das Leben“, schreibt Artur Becker in einer Besprechnung des Bandes im Overton-Magazin, wo man die ganze ausführliche Besprechung nachlesen kann.
Und weiter: Schon das erste Gedicht [Chefs] eröffnet diesen Reigen der Blicke in verschiedene Welten, Schicksale und Momente, die für eine Lyriker niemals vergehen bzw. verloren gehen dürfen. […] Ein trauriges Gedicht, es erinnert auch an Czesław Miłosz´ Arbeiter- und Solidarność-Gedicht, das sich gegen die stalinistischen Machthaber und ihren Missbrauch der Macht richtete und Miłosz´ moralische Konflikte mit dem Stalinismus und seiner eigenen Rolle in diesem mörderischen System thematisierte: ‚Der du dem kleinen Mann auf der Straße Böses angetan hast‘ (‚Który skrzywdziłeś‘) von 1950.
Und so geht es dann im ganzen Gedichtband weiter, dem Bösen werden Namen gegeben und die Zähne gezogen. Hinter der Figur des blutrünstigen Königs Ubu aus einem absurden Theaterstück des französischen Schriftstellers, Dichters und Dramatikers Alfred Jarry (1873 – 1907) kann sich auch ein Putin verstecken, heißt es doch in dem Gedicht Père Ubu:
‚C’est merdre, wenn Père Ubu geht, geht man besser
zur Seite, jetzt geht er hinter die Karpaten, (…)
(…) isst Père Ubu, isst man lieber
woanders, schlägt er nach den Köpfen
duckt man sich besser schnell‘
Brennendes Brasilien im Gedicht Amazonas Würgevogel, wo die Wälder der menschlichen Gier und einem gestrigen Denken zum Opfer fallen, kann aber auch schon zu uns kommen, nach Europa ‒ so klein ist die Welt durch die Umweltprobleme, die Klimaänderungen und die Globalisierung geworden, wobei es ja darum geht, dass es auf unserem Planeten keine sicheren Inseln, kein Asyl, mehr gibt. Und es geht ja darum, dass sich auch nichts ändert, da sich die menschliche Natur nur schwer ändern lässt, wenn Manipulation und Instrumentalisierung des Leviathans im Spiel sind: ‚Immer sind solche Typen Tyrannen von Gott oder / anderen höheren Mächten gesegnet.‘
An dieses ‚ökologisch-antifaschistische‘ Gedicht schließt sich eines der schönsten in diesem Band an, das verträumte und zugleich leichtfüßige: ‚Mein:Herz:Hagen, die toten Wälder‘. Kasnitz lässt uns in diesem Text mit der Natur, die zerstörerisch sein kann, selbst aber genauso zerbrechlich ist wie das menschliche Dasein, eins werden:
‚Hagen, Lichtung, Licht im Wald
die lichten Bäume, die abknickenden Zweige
wo sich unsere Wege trennen, du leicht
ich abschüssig geh, an unseren Händen
klebt Harz, Rinde, Schmiere, du hörst es pochen (…)’“
Mit Im Sommer hatte ich eine Umarmung legt Herr K. nach Glückliche Niederlagen (2016) endlich wieder einen größeren Gedichtband vor. Darin fragt er nach den menschlichen und zwischenmenschlichen Dingen, die sich in der krisenreichen Zeit (Klimakatastrophe, Pandemie, Krieg) verkompliziert und verschoben haben. Er versucht Distanzen zu überwinden und probiert Nähen aus. Vermischt sind die tastenden Bewegungen mit Fragen nach der Welt, in der wir leben (möchten), nach Macht und Herkunft: „Mein Vater arbeitete in vielen Fabriken / dieser Stadt. Nie blieb er lange und immer / hielt man ihn für einen Idioten.“
Politische Gedichte finden sich neben Gedichten zur Corona-Zeit und zu den Versuchen, wieder in eine Normalität zu finden:
Im Sommer hatte ich eine Umarmung
ich warne dich, es fühlte sich wie Wind an
es schmeckte leicht, was ich in den Mund nahm
ich schnippte kleine Dinge weg, halb trocken, halb nass
Der Band wird am 13. März im Literaturklub (gemeinsam mit Mira Mann), am 16. März in Berlin (gemeinsam mit Alexander Rudolfi), am 24. März in Hannover (gemeinsam mit Wassiliki Knithaki, Sünje Lewejohann und Alexander Rudolfi), am 25. April in Halle (gemeinsam mit Olav Amende, Christian Kreis und Mira Mann) und am 28. April in Leipzig (bei Books & Beers) vorgestellt. Weitere Termine folgen.
Adrian Kasnitz: Im Sommer hatte ich eine Umarmung. Gedichte, 90 Seiten, Preis: 14,- € – erschienen in der parasitenpresse und ab sofort lieferbar
Ende Februar, Anfang März erscheint der neue Gedichtband Im Sommer hatte ich eine Umarmung von Herrn K., bis zum 28. Februar kann man ihn zum Subskriptionspreis von 10,- € vorbestellen, danach kostet er 14,- €. Umfang ca. 90 Seiten. Vorbestellungen direkt bei der parasitenpresse.
Um das Jahr zu vervollständigen: Bereits im Mai ist das Langgedicht Requiem für Homs des griechischen Dichters Jazra Khaleed erschienen. In acht Gesängen beschreibt er den syrischen Bürgerkrieg, die Kriegsverbrechen und Gräuel (in teils drastischen Bildern), die zur Zerstörung der Stadt Homs führten. Sein Mitgefühl ist auf Seiten der Bewohner:innen der Stadt, in deren Namen er Anklage gegen die kriegstreibenden Parteien führt, aber auch das Versagen der internationalen Staatengemeinschaft benennt: „Oh Menschheit, betrachte diese Stadt!“. Es ist ein eindringliches Antikriegs-Gedicht, das nun in der Übersetzung von Wassiliki Knithaki und Herrn K. auf Deutsch vorliegt und in der parasitenpresse erschienen ist. Die Übersetzung wurde durch das Extensiv-initiativ-Programm des Deutschen Übersetzerfonds gefördert.
„Adrian Kasnitz schafft Kompositionen ohne Komposita und selten mit Metaphern, sondern durch Alliterationen und atonale Assoziationen: „Glückliche Niederlagen“ – gar nicht alltägliche Alltagslyrik. Selbst bei scheinbar wahllos aneinandergereihten Versen erschließt sich ein Bild mit tieferem Sinn. Man könnte meinen, Kasnitz gewinnt jedem noch so unscheinbaren Tag eine lyrische Note ab, jeder Woche, jedem Monat. Entsprechend entstand sein Lyrikzyklus Kalendarium, worin er jedem Kalendermonat einen Gedichtband widmete und es noch tut.
In Glückliche Niederlagen schwingt immer wieder ein Konjunktiv mit: man könnte doch trotz der Niederlagen glücklich sein. Jener Gegensatz birgt keinen Widerspruch in sich. Sein lyrischer Blick nimmt dafür sowohl Petitessen wahr, als auch die „Aussicht über die Stadt“. Darin kontrastiert der Autor „Türme und Firste“ gegenüber „Beton // Stahl und Schlieren ziehendes Glas“, „als sei es ein Wüten gegen die Wirtlichkeit“. Schließlich stellt er fest: „Der Staub unserer Wünsche liegt verborgen unter dem Bett und jede Mühe ihn hervorzuholen, scheuen wir.“
Adrian Kasnitz rüttelt aus dem Alltagstrott nicht wach. Seine Lyrik stupst an, regt zu Achtsamkeit an. Das 64. und letzte Gedicht seines Bandes endet mit dem Hinweis: „wir könnten glücklich sein“. Dieses Buch ist eine kleiner Wegweiser dafür – so facettenreich, wie der Alltag. Der von Routinen geprägte Alltag sei gar nicht facettenreich? Man lese dieses Buch …“, schreibt Ortwin Bonfert auf dem Spiegelungen-Blog. Schön, dass dieses Buch immer noch Leser:innen begeistert.
Im achten Teil des Kalendariums von Herrn K. essen wir Brombeeren, Feigen und Gurken, riechen wir Lavendel und Fell. Wir reisen, zelten, gehen baden. Wir bekleckern uns, holen uns aufgeschürfte Haut und treiben in Plastik. Wir müssen Ausreden finden und Geständnisse machen. All diese Dinge, die man im August tut und die sich wie Staub auf Oberflächen legen, bis ein Regen auf sie prasselt.
„Mehr als Stein ist hier nicht / Stein, auf dem du ausruhst / dir den Knöchel brichst / aufritzt die Haut // nur die Zikaden begleiten dich / sie fallen in ihren nimmer / müden Gesang / lachen dich aus“.
Neben den Gedichten enthält das Buch wieder vier Collagen des Autors. Das Lektorat besorgte diesmal Wassiliki Knithaki. Die graphische Gestaltung stammt wie immer vom Kölner Büro Kikkerbillen.
Adrian Kasnitz: Kalendarium #8. Gedichte, 44 Seiten, Preis: 10,- € – ist ab sofort bei der parasitenpresse lieferbar